Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe an Gerichten, die ich neu gelernt habe zu kochen. Meine ersten Erfahrungen in der Küche konnte ich bei der Familie machen, bei der ich die ersten zwei Wochen verbrachte. Dafür wurde mir zunächst einmal ein Kanga umgebunden. Ein Kanga ist ein Tuch mit einem meist religiösen Spruch. Dieses hatte ich bereits bei verschiedenen Anlässen gesehen, beispielsweise beim Arbeiten, aber auch bei traditionellen Anlässen wie zur Kirche und zu einer Beerdigung.
Mittlerweile wohne ich bekannterweise alleine und so konnte ich mich jetzt das erste mal selbst an den Herd wagen. Mein erstes gelungenes Gericht war dann eine Art Tomatensoße mit Süßkartoffeln. Nach dieser Phase erweiterte ich mein Repertoire um Boga. Unter Boga versteht man hier alles, was aus Grünzeug gemacht wird. Das ganze kommt meinem Verständnis nach Blattspinat am ähnlichsten. Zum Boga passen zwei Sachen besonders gut – Reis und Ugali – letzteres wollte ich gerne erlernen, was gar nicht so leicht ist, hat man so dürre Arme wie ich. Man koche Wasser, füge eine ganze Menge Maismehl hinzu und dann rühre man sehr stark und passe auf, dass das ganze auch vernünftig gekocht ist, ansonsten gibst Probleme bei der Verdauung, sagt zumindest meine Ugalispezialistin/ Nachbarin/ Mentorin/ Arbeitskollegin alias Oliva.
Nach meiner Gastfamilie, bei der ich anfangs wohnte und verköstigt wurde, ist meine nächste großer Influencerin also meine geliebte Nachbarin. Aber es geht noch weiter mittlerweile war ich zum Beispiel mit einer anderen Kollegin bei ihren Eltern, wo wir eben auch zusammen gekocht haben.
Alle oben genannten Rezepte, alle Anekdoten und alle Orte die ich beschreibe hier in meinem Blog, sind Teile aus meinem Leben hier: was ich höre, wenn ich mich mit meinen Kollegen im Büro und Freunden beim Mittag unterhalte oder wenn ich heimlich Gespräche auf der Straße belausche. Was ich sehe, wenn ich zu Fuß in Ikonda auf dem Markt unterwegs bin oder im Bus acht Stunden nach Iringa fahre. Was ich schmecke, was ich fühle und was ich rieche an den wenigen Orten die ich hier in Tanzania in der kurzen Zeit besuchen kann, sind subjektive Eindrücke, von denen eine noch kleinere Menge hier auf meinen Blog wandern. Ich habe mich natürlich bewusst dazu entschieden einen Blog zu schreiben, aber ich möchte keineswegs als Quelle für verallgemeinerte Aussagen über Tanzania oder sogar Afrika herhalten. Die folgenden Zeilen sind die Worte eines ehemaligen Freiwilligen, die ich ausgewählt habe, weil sie den Nagel sehr einfach und Bildich auf den Kopf treffen .
„[…]Tanzania gehört wohl ohne Frage zu den Ländern und Gebieten der Erde, von denen in den deutschen Medien oder anderen Institutionen eher wenig und oberflächlich berichtet wird. Viel wird heruntergebrochen auf Probleme, auf Armut, auf landschaftliche Schönheit oder Bilder, die man mit dem pauschal, für sämtliche Länder dieses großen Kontinents, stehendem Begriff „Afrika“ verbindet. Worauf ich hinaus will ist, dass ich mich momentan in Tanzania befinde und die Leserschaft nicht und es zum Teil auch noch nie war. Die Bilder, die vermittelt werden, können also bei einigen von gar keinem anderen stammen, als direkt von mir. Somit finde ich es wichtig direkt am Anfang zu erwähnen, dass sämtliche meiner Eindrücke für sich stehen. Das, was ich erlebe, kann ein anderer Freiwilliger in einem anderen Einsatzort schon wieder ganz anders erlebt haben. Auch nehme ich hier eine Rolle ein, die beeinflusst, was ich erlebe, so kann jemand, der in der Rolle des Pfarrers oder Lehrers hierher kommt, eventuell ganz andere Eindrücke bekommen, als jemand, der einen Freiwilligendienst absolviert. […] Stereotype stehen beim Kennenlernen von einer anderen Kultur stärker im Weg, als wir es für möglich halten. Denn wenn man beginnt sich mit ihnen seine Fragen zu beantworten, hört man auf diese Fragen zu stellen und kommt so auch nie zu Antworten. Objektiv zu berichten ist natürlich nicht möglich, da alles, was ich erlebe, von mir zu meinen bisherigen Erlebnissen und meinen Hintergründen in Bezug gestellt wird. Aber wenn ich in einer Situation von meinen Empfindungen berichte, so bedeutet das nicht, dass es so ist, sondern nur, dass ich es so wahrgenommen habe. Vieles ist vom Moment abhängig und ein Jahr lässt einen vermutlich nicht genügend Momente erleben, um sicher Urteile fällen zu können. Ein kleines Beispiel, um diese Problematik besser zu erläutern, könnte mein Zimmer sein. Kommt man mich einmal besuchen, an einem Tag, an dem ich mein Zimmer gerade aufgeräumt und komplett durch gewischt habe und traut sich dann zu, ein Urteil zu fällen, könnte dieses sein, dass ich ein sehr sauberer Mensch wäre und immer auf Ordnung achten würde, obwohl mein Zimmer vielleicht die restlichen Tage des Jahres aussieht, wie ein Trümmerhaufen. So etwas möchte ich hierbei vermeiden. Auch wenn ich generell versuche dies zu vermeiden, bitte ich darum, beim Lesen von Erlebnissen, welche zu „Spektakularisierungen“ oder Überspitzungen einladen, diese Worte im Hinterkopf zu behalten oder einfach zurück zu blättern und sie nochmal zu lesen, schließlich habe ich sehr lange für die Formulierung gebraucht.“
Ich denke vieler meiner Leser sind sich dessen schon lange bewusst, aber ich erachte es als unheimlich wichtig, sich diese Gedanken immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, egal ob beim Gespräch im Bäcker um die Ecke mit der Bildzeitung auf dem Schoß oder beim lesen online in einem Blog der von jemandem geführt wird, der für kurze Zeit auf einem anderen Kontinent lebt.
So viel dazu. Danke für die Aufmerksamkeit.
Und zudem Thema noch ein bisschen interessante Artikel:
Fremde Welt ganz nah
Mit kolonialen Grüßen
Schwarzweißafrika